nachhaltigkeit | das magazin zu umwelt, f&b und energietrends | September 2024 | LEILA HASCHTMANN
Ob auf dem Dach, im Keller oder im Gastraum, Urban Farming liegt im Trend. Microgreens, Salate, Pilze und Co. lassen sich auch indoor ressourcenschonend anbauen.
Das Restaurant Good Bank in Berlin hat es vorgemacht: Seit 2017 werden hier selbst angebaute Zutaten verarbeitet – und das mit Erfolg. Derzeit betreiben Ema Simurda und Leandro Vergani zwei Filialen in Berlin und verkaufen ihr eigenes Vertical-Farming-System „Farmie“. Inzwischen ziehen aber nicht nur Einzelunternehmer, sondern auch Hotelgruppen und Franchisegeber nach: Peter Pane zum Beispiel zieht in seinen Filialen in Lübeck und Leipzig direkt im Gastraum in Schränken von Mana Farms Microgreens und Salat für die Burger. Und auch im Listo des Hilton Berlin wächst edles Grün direkt vor den Augen der Gäste. Das ist vorausschauend und notwendig, denn die Weltbevölkerung wächst, der Klimawandel sorgt für zunehmende Wasserknappheit, und die konventionelle Landwirtschaft belastet die Böden. Laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung litten 2023 etwa 2,33 Milliarden Menschen unter schwerer oder mäßiger Ernährungsunsicherheit. Um in Zukunft die Ernährung der Menschen zu gewährleisten, braucht es also alternative Ansätze. Ein solcher ist Urban Farming. Beim Anbau in der Stadt werden Obst und Gemüse direkt dort angebaut, wo sie gebraucht werden – das verkürzt auch Transportwege und spart so CO2-Emissionen. Natürlich haben aber die wenigsten Gastronomien in Städten das Glück, über einen eigenen Garten zu verfügen. Um versiegelte und unversiegelte Flächen dennoch für Urban Farming nutzbar zu machen, gibt es unterschiedliche Wege.
Schön, praktisch, ergonomisch: das Hochbeet
Die einfachste Möglichkeit und die dem konventionellen Anbau ähnlichste, Kräuter, Salate, Beeren und Gemüse anzubauen, sind Hochbeete. Sie sind rückenfreundlich und eignen sich zur Nutzung auf Terrassen, Balkonen, (Hinter-) Höfen, Spielplätzen und natürlich auch in Gärten. Außerdem bieten sie Potenzial als Teambuilding-Maßnahme, findet Petra Weinstein, die mit ihrem Neffen Sven Scott Kirkwood das Startup Hochbeet Hamburg betreibt. Das Unternehmen ist auf Hochbeete für Gastronomie, Hotellerie und Kantine spezialisiert – von der Kita bis zum Unternehmen. Die Beete werden in Handarbeit nach Maß gefertigt, Ausstattung und Farbe lassen sich an die gewünschte Verwendung und das Corporate Design der Kunden anpassen. So wird beispielsweise beim Hamburger Open Mouth Festival ein Hochbeet als DJ-Pult dienen. Bei der Internorga 2023 und 2024 war Hochbeet Hamburg Teil der Pizza Experience und hat live präsentiert, welchen Mehrwert Hochbeete für Restaurants bieten können. „Der Küchenchef muss mitbestimmen, wo das Beet steht und was angepflanzt wird, denn wenn das Personal zu weite Wege hat, werden die Hochbeete nicht so gut angenommen,“ weiß Petra Weinstein. Auch für die Roof-Top-Bar würden sich ihre Produkte bestens eignen. Sie seien Hingucker, sorgten für eine entspannte Atmosphäre, und Drink-Garnituren könnten frisch gepflückt direkt vom Beet ins Glas. Die Standorte der Beete werden gemeinsam mit den Kunden gefunden. Auf versiegelten Flächen werden sie mit Schwerlastrollen versehen, das macht ihre Platzierung flexibel. Die Anzahl und Größenordnung der Beete richtet sich in der Regel nach dem Verwendungszweck und danach, wie viele Mitarbeitende an der Pflege der Beete interessiert sind. „Wenn sich keiner kümmert, hat es keinen Sinn.“ Daher macht das Start-up nicht nur aus der Planung, sondern vor allem auch aus den Erstbepflanzungen gerne kleine Team-Happenings. „Damit bieten wir Chefs und Personalleitern wirklich etwas Neues,“ so Weinstein. Und gerade in Hotels könnten auch die Gäste gut in Pflege und Bepflanzung einbezogen werden.
Platz-, wasser-, düngersparend: Vertical Farming
Eine andere sehr vielversprechende Variante des Urban Farming ist Vertical Farming. Hier werden auf für diesen Zweck entwickelten Gestellen beziehungsweise in speziellen Schränken hydroponisch Pflanzen gezogen. Das heißt, die Wurzeln der Pflanzen wachsen nicht in Erde, sondern in Wasser, das mit Nährstoffen angereichert ist.
Je nach Anbau-Location, also ob Inoder Outdoor, stellen Sonnenlicht oder Speziallampen die Versorgung der Pflanzen für die Photosynthese sicher. Aufgrund des meist geschlossenen Kreislaufs können zwischen 80 und 95 Prozent des Wasserverbrauchs eingespart werden, und der verwendete Dünger gelangt nicht in den Boden. Hersteller wie Farmie und Mana Farms produzieren Schränke, in denen Mircogreens und Leafy Greens gezogen werden können. Die Firma Pflanzentheke mit Sitz in Lorsch hat sich auf etwas andere Vertical-Farming-Systeme spezialisiert, die Pflanzen kommen hier ohne Verglasung aus. Pro Quadratmeter ließen sich auf ihren 1,80 m hohen A-Frame-Gestellen etwa 80 Pflanzen anbauen, so Michael Müller, CEO und Founder des Start-ups.
Das Unternehmen bietet Lösungen für drinnen und draußen, versiegelte und unversiegelte Flächen mit und ohne Beleuchtungssystem oder Wetterschutz an. Zum Service gehört außerdem eine umfassende Betreuung von der Anbauplanung über die Saatgutbestellung bis hin zur technischen Hilfestellung. Pflanzentheke führt selbst umfassende Forschung zu geeigneten Kulturen durch. Nach den Erfahrungen der Research- und Development-Abteilung gehören Kräuter wie Petersilie und Dill sowie Blattgemüse von Eichblatt bis Pak Choi zu den am besten geeigneten Kulturen für das Pflanzentheke-System. Aber auch Tomaten und Erdbeeren funktionieren gut, deren Profitabilität ist allerdings noch in Prüfung.
Auf der diesjährigen gn connect, dem Bremer Event „für die Gastronomie von morgen“, stellt Pflanzentheke ihr neues speziell auf die Gastronomie zugeschnittenes Rahmenmodell vor. „In der Gastronomie spielen frische, regionale Erzeugnisse eine sehr große Rolle. Das Thema nachhaltiger Konsum von Speisen wird für den Verbraucher immer wichtiger. Mit den A-Frames für die Gastronomie werden solche Aussagen gelebte Realität, die man vor Ort sehen und anfassen kann,“ erklärt Müller das Konzept.
„Ähnlich wie bei einem Landwirt mit einem Hofladen können die Kunden direkt sehen, woher die Nahrungsmittel kommen und wie sie angebaut werden. Dadurch kann die Gastronomie einen enormen Mehrwert in der Außendarstellung und bei der eigenen Versorgungssicherheit erzielen. Der logistische Aufwand wird reduziert, und man kann vor Ort auch mit speziellen Gemüsesorten ein wenig experimentieren, für neue Kreationen auf der Speisekarte.“
Die zugrundeliegende Technik sei die gleiche, die Basis das halbe A-Frame. Für die Gastronomie werde in der Regel ein Beleuchtungskonzept benötigt, da die Pflanzen im Innenraum zu wenig Tageslicht für ein optimales Wachstum erhalten. Zudem spielten Designfragen und die Optik des Systems eine größere Rolle als etwa bei einem Landwirt in dessen Gewächshaus. „Daher wird das Anbausystem für die Gastronomie optisch aufgewertet,“ so Müller.
Innerhalb der nächsten zwei Monate wird das neue Modell unter anderem im Restaurant La Paz von Kemal Üres ein Zuhause bekommen – als Sonderanfertigung in Schwarz. „Wir legen großen Wert auf qualitativ hochwertige Produkte und Rohstoffe, und mit der Pflanzentheke können wir das zeigen. Gleichzeitig erfüllt die Wall auch einen dekorativen Zweck. Sie verleiht dem Gastraum einen ganz neuen und sehr frischen Charakter. „Vorerst werden wir die angebauten Kräuter als Zutaten für die Bar verwenden“, sagt Üres.